Sammelklagen nach EU-Kartellrecht
In Europa wird kontrovers diskutiert, ob der kollektive Rechtsschutz im Kartellrecht (und in anderen Rechtsgebieten), wie er vor allem aus dem US-amerikanischen Recht bekannt ist, gefördert werden sollte.
Die Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission hatte in der Vergangenheit den Versuch unternommen, den kollektiven Rechtsschutz im Kartellrecht zu fördern. Ein Richtlinienentwurf aus dem Jahr 2008 stieß auf breite Kritik, was dazu führte, dass der Entwurf zunächst nicht weiter verfolgt wurde.
Kritisiert wurde vor allem die zunächst vorgesehene Opt-out-Klage, derzufolge Verbraucherverbände ohne eine ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Unternehmen deren Rechte geltend machen können. Diese Klageform ist sehr missbrauchsanfällig und kann dazu führen, dass wie in den USA eine Art „Klageindustrie“ entsteht.
Nachdem das Projekt für einige Zeit wieder in den Schubladen verschwunden ist, hat die Europäische Kommission Anfang des Jahres 2011, zur Zusammenführung der Aktivitäten verschiedener Generaldirektionen, eine Konsultation zu einem kohärenten europäischen Ansatz beim kollektiven Rechtsschutz eingeleitet. Dieses Vorhaben beschränkt sich nicht auf das Kartellrecht. Es sollen vielmehr Regelungen hinsichtlich eines „horizontalen Instruments“ für sämtliche Bereiche des Rechts eingeführt werden. Die Europäische Kommission betonte dabei, dass sie keine Sammelklagen nach US-amerikanischem Muster einführen will.
In seinem Entwurf eines Berichts für den Rechtsausschuss vom 15. Juni 2011 hat der Berichterstatter Klaus-Heiner Lehne insbesondere die folgenden Eckpunkte des Vorhabens bezüglich der Verhinderung von Missbrauchsgefahren festgehalten:
Anders als im ursprünglichen Entwurf soll es nur Kollektivklagen nach dem sog. Opt-in-Prinzip geben, d.h. die Betroffenen müssen sich einer solchen Klage explizit anschließen.
Eine Kollektivklage kann nur auf den Ersatz des tatsächlichen Schadens gerichtet werden, d.h. ein Strafschadensersatz soll ausgeschlossen sein.
Die Diskussion innerhalb der Organe der Europäischen Union ist noch nicht abgeschlossen. Es bleibt abzuwarten, ob und wann der kollektive Rechtsschutz in Europa kommen und welche Formen er erhalten wird.
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