Einkaufgemeinschaft/ Gemeinsamer Einkauf
Einkaufskooperationen sind Vereinbarungen über den gemeinsamen Einkauf von Waren oder die gemeinsame Beschaffung von gewerblichen Leistungen. Diese Art der Kooperation kann vom Kartellverbot freigestellt sein, wenn damit Effizienzvorteile für die an der Einkaufskooperation beteiligten Unternehmen verbunden sind, die an die Verbraucher weitergegeben werden.
Zudem unterliegen Einkaufskooperationen jedenfalls von kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) schon nicht dem Kartellverbot, wenn die Parteien auf den betroffenen Märkten gemeinsame Marktanteile von nicht mehr als 15 % halten. Ob dies darüber hinaus auch für Einkaufskooperationen größerer Unternehmen gilt, ist im Einzelfall zu prüfen.
Einkaufsgemeinschaften im Detail
Einkaufsgemeinschaften sind Zusammenschlüsse von Unternehmen, die gemeinsam Waren oder Dienstleistungen einkaufen, um dadurch bessere Konditionen, wie niedrigere Preise oder günstigere Lieferbedingungen, zu erzielen. Solche Gemeinschaften können Effizienzgewinne bringen, bergen aber auch kartellrechtliche Risiken, da sie den Wettbewerb beeinträchtigen können. Im deutschen Kartellrecht sind Einkaufsgemeinschaften im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und im europäischen Kartellrecht in Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) geregelt.
Im Folgenden werden Einkaufsgemeinschaften umfassend erläutert, Beispiele aus der Praxis genannt, relevante Urteile angeführt und die Rolle von Kartellrechtlern bei der Bewältigung solcher Fälle dargestellt.
1. Grundlagen von Einkaufsgemeinschaften
1.1 Definition
Eine Einkaufsgemeinschaft ist ein Zusammenschluss von Unternehmen, die gemeinsam Waren oder Dienstleistungen einkaufen, um Skaleneffekte zu nutzen und bessere Konditionen zu erzielen. Solche Gemeinschaften können sowohl horizontal (zwischen Wettbewerbern) als auch vertikal (zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen Marktstufen) ausgerichtet sein.
1.2 Vorteile
Kosteneinsparungen: Durch den gemeinsamen Einkauf können Unternehmen bessere Preise und Konditionen aushandeln.
Effizienzsteigerung: Gemeinsame Beschaffungsprozesse können effizienter gestaltet werden.
Stärkere Verhandlungsposition: Einkaufsgemeinschaften können gegenüber Lieferanten eine stärkere Verhandlungsposition einnehmen.
1.3 Kartellrechtliche Risiken
Einkaufsgemeinschaften können den Wettbewerb beeinträchtigen, insbesondere wenn sie:
Marktmacht missbrauchen: Durch den gemeinsamen Einkauf können Einkaufsgemeinschaften eine marktbeherrschende Stellung erlangen und diese missbräuchlich ausnutzen.
Wettbewerber ausschließen: Einkaufsgemeinschaften können den Marktzugang für andere Unternehmen erschweren.
Preise beeinflussen: Durch den gemeinsamen Einkauf können die Preise auf dem Markt beeinflusst werden.
2. Rechtliche Rahmenbedingungen
2.1 Deutsches Kartellrecht (GWB)
Im deutschen Kartellrecht sind Einkaufsgemeinschaften in den §§ 1, 19 und 20 GWB geregelt. Sie unterliegen dem Kartellverbot, es sei denn, sie erfüllen bestimmte Ausnahmebedingungen.
2.2 Europäisches Kartellrecht (Art. 101 AEUV)
Im europäischen Kartellrecht sind Einkaufsgemeinschaften in Artikel 101 AEUV geregelt. Sie sind verboten, wenn sie den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten behindern.
2.3 Gruppenfreistellungsverordnung (GVO)
Die Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) für vertikale Vereinbarungen (Verordnung (EU) Nr. 330/2010) kann auf Einkaufsgemeinschaften Anwendung finden, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen, z.B. keine harten Kernbeschränkungen enthalten und die Marktanteilsschwellen einhalten.
3. Wann sind Einkaufsgemeinschaften kartellrechtswidrig?
Einkaufsgemeinschaften sind kartellrechtswidrig, wenn sie den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen und nicht von einer Freistellungsregelung erfasst sind. Dies ist insbesondere der Fall, wenn:
3.1 Harte Kernbeschränkungen vorliegen
Wenn die Einkaufsgemeinschaft harte Kernbeschränkungen wie Preisabsprachen oder Marktaufteilungen enthält, ist sie grundsätzlich kartellrechtswidrig.
Beispiel: Zwei Einzelhändler vereinbaren, bestimmte Produkte nur gemeinsam einzukaufen und die Preise für diese Produkte abzusprechen. Dies wäre eine Preisabsprache und damit kartellrechtswidrig.
3.2 Der Wettbewerb erheblich beeinträchtigt wird
Einkaufsgemeinschaften können den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen, wenn sie eine marktbeherrschende Stellung erlangen oder den Marktzugang für andere Unternehmen erschweren.
Beispiel: Eine Einkaufsgemeinschaft von Supermärkten kontrolliert einen großen Teil des Marktes für bestimmte Lebensmittel und schließt andere Einzelhändler vom Markt aus. Dies könnte den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen.
4. Wann sind Einkaufsgemeinschaften nicht kartellrechtswidrig?
Einkaufsgemeinschaften sind nicht kartellrechtswidrig, wenn sie den Wettbewerb nicht unverhältnismäßig einschränken und bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn:
4.1 Effizienzgewinne vorliegen
Die Einkaufsgemeinschaft muss zu Effizienzgewinnen führen, die den Verbrauchern zugutekommen, z.B. durch niedrigere Preise oder bessere Qualität.
Beispiel: Eine Einkaufsgemeinschaft von kleinen Einzelhändlern schließt sich zusammen, um bessere Einkaufskonditionen zu erzielen und dadurch niedrigere Preise für die Verbraucher zu ermöglichen.
4.2 Keine harten Kernbeschränkungen vorliegen
Die Einkaufsgemeinschaft darf keine harten Kernbeschränkungen enthalten, die den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen.
Beispiel: Eine Einkaufsgemeinschaft von Handwerksbetrieben kauft gemeinsam Materialien ein, ohne die Preise oder Märkte abzusprechen. Da keine harten Kernbeschränkungen vorliegen, ist die Einkaufsgemeinschaft nicht kartellrechtswidrig.
4.3 Die Marktanteilsschwellen eingehalten werden
Die beteiligten Unternehmen dürfen die Marktanteilsschwellen der GVO nicht überschreiten.
Beispiel: Eine Einkaufsgemeinschaft von kleinen Unternehmen, die zusammen weniger als 30 % des Marktes kontrollieren, schließt sich zusammen, um bessere Einkaufskonditionen zu erzielen. Da die Marktanteilsschwelle eingehalten wird, ist die Einkaufsgemeinschaft von der GVO freigestellt.
5. Beispiele aus der Praxis und Urteile
5.1 Fall "Metro Cash & Carry" (EuGH, Urteil vom 29.10.1998 – C-230/96)
Die Europäische Kommission untersuchte eine Einkaufsgemeinschaft von Einzelhändlern, die gemeinsam Waren eingekauft hatten. Der EuGH stellte fest, dass die Einkaufsgemeinschaft den Wettbewerb nicht erheblich beeinträchtigte, da sie keine harten Kernbeschränkungen enthielt und die Marktanteilsschwellen eingehalten wurden.
5.2 Fall "Einkaufsgemeinschaft der deutschen Krankenhäuser" (BGH, Urteil vom 10.02.2015 – KVR 69/13)
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, dass eine Einkaufsgemeinschaft von Krankenhäusern, die gemeinsam medizinische Geräte einkauften, nicht kartellrechtswidrig war, da sie zu Effizienzgewinnen führte und den Wettbewerb nicht unverhältnismäßig einschränkte.
6. Rolle von Kartellrechtlern
Kartellrechtler spielen eine zentrale Rolle bei der Bewertung und Gestaltung von Einkaufsgemeinschaften. Ihre Tätigkeiten umfassen:
6.1 Beratung
Risikobewertung: Kartellrechtler bewerten das kartellrechtliche Risiko von Einkaufsgemeinschaften und beraten Unternehmen, wie sie solche Gemeinschaften gestalten können, ohne gegen das Kartellrecht zu verstoßen.
Vertragsgestaltung: Sie prüfen Verträge und Vereinbarungen auf mögliche kartellrechtliche Risiken und helfen bei der Gestaltung von Einkaufsgemeinschaften, die im Einklang mit dem Kartellrecht stehen.
6.2 Verteidigung
Verfahren vor Kartellbehörden: Kartellrechtler vertreten Unternehmen in Verfahren vor dem Bundeskartellamt oder der Europäischen Kommission, wenn Einkaufsgemeinschaften angefochten werden.
Gerichtsverfahren: Sie vertreten Unternehmen in Gerichtsverfahren, wenn kartellrechtliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit Einkaufsgemeinschaften auftreten.
6.3 Compliance
Schulungen: Kartellrechtler schulen Mitarbeiter von Unternehmen, um sie für die Risiken von Einkaufsgemeinschaften zu sensibilisieren.
Compliance-Programme: Sie entwickeln Compliance-Programme, um sicherzustellen, dass Unternehmen keine kartellrechtswidrigen Einkaufsgemeinschaften bilden.
7. Einkaufsgemeinschaften
Einkaufsgemeinschaften können Effizienzgewinne bringen und den Wettbewerb fördern, bergen aber auch kartellrechtliche Risiken. Sie sind kartellrechtswidrig, wenn sie den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen und nicht von einer Freistellungsregelung erfasst sind. Kartellrechtler spielen eine zentrale Rolle bei der Bewertung und Gestaltung von Einkaufsgemeinschaften, der Verteidigung in Verfahren vor Behörden und Gerichten sowie der Entwicklung von Compliance-Programmen. Die genannten Beispiele und Urteile verdeutlichen die praktische Anwendung und die rechtlichen Konsequenzen von Einkaufsgemeinschaften.
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