Höchstpreisbindungen
Höchstpreisbindungen sind bis zu einem Marktanteil des Lieferanten von 30 % grundsätzlich erlaubt.
Dies gilt nur dann nicht, wenn der Lieferant zu ihrer Durchsetzung Druck ausübt oder Anreize (etwa in Form von Rabatten) gewährt und sich die Höchstpreise dadurch tatsächlich wie Fest- oder Mindestpreise auswirken.
Selbst wenn der Marktanteil des Lieferanten die Schwelle von 30 % überschreitet, kann eine Höchstpreisbindung jenach Einzelfall dennoch weiterhin freigestellt sein.
Höchstpreisbindung im Kartellrecht
1. Einführung: Was ist die Höchstpreisbindung?
Die Höchstpreisbindung bezeichnet eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, insbesondere zwischen Herstellern und Händlern, die den maximal zulässigen Preis für ein Produkt oder eine Dienstleistung festlegt. Sie kann in vertikaler oder horizontaler Form auftreten und hat kartellrechtlich unterschiedliche Konsequenzen.
- Vertikale Höchstpreisbindung: Ein Hersteller setzt seinen Händlern vor, dass sie ein Produkt nicht über einem bestimmten Preis verkaufen dürfen.
- Horizontale Höchstpreisbindung: Mehrere Unternehmen auf derselben Marktstufe (z. B. Hersteller oder Händler) vereinbaren, dass kein Marktteilnehmer einen Preis oberhalb eines bestimmten Niveaus verlangt.
Grundsätzlich unterliegt die Höchstpreisbindung dem Kartellverbot nach Artikel 101 Abs. 1 AEUV und § 1 GWB, kann aber in bestimmten Fällen zulässig sein.
2. Wann ist die Höchstpreisbindung kartellrechtswidrig?
2.1. Wettbewerbswidrige Formen der Höchstpreisbindung
Horizontale Höchstpreisbindungen (zwischen Wettbewerbern auf gleicher Stufe)
- Beispiel: Mehrere Pharmakonzerne vereinbaren, dass sie bestimmte Medikamente nicht über einem festgelegten Preis verkaufen.
- Verstoß: Wettbewerbsbeschränkung durch Preisangleichung.
Vertikale Höchstpreisbindungen mit Marktverzerrung
- Beispiel: Ein Automobilhersteller schreibt seinen Vertragshändlern vor, dass sie Neuwagen nicht über einem festgelegten Höchstpreis verkaufen dürfen.
- Verstoß: Einschränkung des unternehmerischen Spielraums der Händler.
Höchstpreisbindungen zur Marktabschottung
- Beispiel: Ein dominanter Anbieter verpflichtet alle Händler, nicht über einem bestimmten Preis zu verkaufen, um den Markteintritt neuer Wettbewerber zu erschweren.
- Verstoß: Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Artikel 102 AEUV.
2.2. Ausnahmefälle: Wann ist die Höchstpreisbindung zulässig?
Es gibt Fälle, in denen eine Höchstpreisbindung wettbewerbsfördernd sein kann:
Vermeidung überhöhter Preise bei essentiellen Produkten
- Beispiel: Ein Impfstoffhersteller setzt eine Höchstpreisgrenze für Apotheken, um den Zugang für Verbraucher sicherzustellen.
- Zulässig, wenn sie dem Verbraucherschutz dient.
Höchstpreise als Mittel zur Förderung des Wettbewerbs
- Beispiel: Ein Hersteller erlaubt seinen Händlern einen Höchstpreis, um Wettbewerbsverzerrungen durch überhöhte Margen zu verhindern.
- Zulässig, wenn Händler weiterhin frei niedrigere Preise setzen können.
Höchstpreisbindung in regulierten Märkten
- Beispiel: Staatlich festgelegte Höchstpreise für Arzneimittel oder Mieten.
- Zulässig, wenn sie durch gesetzliche Vorschriften gedeckt sind.
3. Wichtige Urteile zur Höchstpreisbindung
3.1. Kartellrechtswidrige Fälle
EuGH, Rs. C-32/11 – Allianz/Hungária Biztosító
- Sachverhalt: Eine Versicherungsgesellschaft setzte Höchstpreise für Vermittlerprovisionen fest.
- Ergebnis: Wettbewerbswidrig, da die Marktdynamik künstlich eingeschränkt wurde.
Bundeskartellamt – "Buchpreisbindung" (B2-52/17)
- Sachverhalt: Deutsche Buchhändler unterlagen einer gesetzlichen Preisbindung, auch für Höchstpreise.
- Ergebnis: Die EU-Kommission kritisierte die Praxis als potenziell wettbewerbswidrig.
US Supreme Court, Albrecht v. Herald Co. (1968)
- Sachverhalt: Ein Zeitungsverlag setzte seinen Händlern eine Höchstpreisbindung auf.
- Ergebnis: Urteil erklärte die Praxis für kartellrechtswidrig, da sie den Wettbewerb einschränkte.
3.2. Zulässige Fälle der Höchstpreisbindung
EuGH, Rs. C-230/16 – Hoffmann-La Roche
- Sachverhalt: Ein Pharmaunternehmen legte eine Höchstpreisstrategie für staatliche Gesundheitssysteme fest.
- Ergebnis: Erlaubt, da es die öffentlichen Gesundheitskosten senkte.
EuGH, Rs. C-209/10 – Post Danmark
- Sachverhalt: Eine Postgesellschaft setzte Höchstpreise für den Versand von Printmedien.
- Ergebnis: Zulässig, da keine Marktabschottung erfolgte.
BKartA – Tankstellenmarkt (B1-200/21)
- Sachverhalt: Ein Mineralölkonzern legte Höchstpreise für seine Franchise-Partner fest.
- Ergebnis: Unproblematisch, da es den Preiswettbewerb förderte.
4. Was können Kartellrechtler tun?
4.1. Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Höchstpreisbindung
- Analyse, ob eine geplante Höchstpreisbindung kartellrechtswidrig ist oder unter eine Gruppenfreistellung fällt.
- Beratung zu alternativen Preissetzungsstrategien, um rechtliche Risiken zu vermeiden.
4.2. Compliance-Beratung für Unternehmen
- Entwicklung von Richtlinien für zulässige Preisstrategien.
- Schulungen für Führungskräfte und Vertriebsabteilungen, um kartellrechtliche Verstöße zu verhindern.
4.3. Vertretung in Kartellverfahren
- Verteidigung von Unternehmen bei Untersuchungen durch die EU-Kommission oder das Bundeskartellamt.
- Verhandlungen über Kronzeugenregelungen, um Bußgelder zu reduzieren.
4.4. Unterstützung bei Schadensersatzklagen
- Vertretung geschädigter Unternehmen, die durch wettbewerbswidrige Höchstpreisbindungen benachteiligt wurden.
- Abwehr von überhöhten Forderungen in Kartellverfahren.
5. Höchstpreisbindungen
Höchstpreisbindungen können sowohl wettbewerbsfördernd als auch wettbewerbswidrig sein. Während sie in manchen Fällen Verbraucher schützen oder Marktzugang erleichtern, können sie auch als Instrument zur Marktverzerrung dienen.
Kartellrechtler haben eine zentrale Rolle in der Prüfung, Gestaltung und Verteidigung von Höchstpreisregelungen. Eine frühzeitige rechtliche Beratung kann helfen, hohe Bußgelder, Schadensersatzforderungen und Reputationsverluste zu vermeiden.
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