Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern
Das Kartellrecht interessiert sich aber dafür, ob sich Unternehmer zusammentun, um Informationen auszutauschen, mit denen sich unzulässige Kartelle vorbereiten lassen.
Wettbewerber dürfen sich treffen, sich besprechen und Informationen austauschen – sie müssen dabei aber die Grenzen des Kartellrechts beachten.
Informationen, die die Markttransparenz erhöhen, können den Wettbewerb fördern, aber auch beschränken. Statistiken und Marktinformationen dürfen jedenfalls nicht zu einer Markttransparenz führen, die Wettbewerbern eine Koordinierung ihrer unternehmerischen Tätigkeit ermöglicht. Auch darf durch solche Transparenz ein vorstoßender Wettbewerb nicht von Wettbewerbern sofort erkannt und mit Gegenmaßnahmen unterbunden werden können.
Unbedenklich ist der Austausch von Informationen, die allgemein zur Verfügung stehen, etwa über eine amtliche Statistik oder über andere allgemein zugängliche Quellen.
Bedenklich sind dagegen Marktinformationssysteme, wenn sich an dem Informationssystem nur wenige Unternehmen beteiligen, wenn aus den Marktinformationen auf die wettbewerbsrelevanten Kennzahlen der beteiligten Unternehmen zurückgeschlossen werden kann (sog. „identifizierende Marktinformationssysteme“) oder wenn sich aus “People of the same trade seldom meet together, even for merriment and diversion, but the conversation ends in a conspiracy against the public, or in some contrivance to raise prices.” (Adam Smith, Ökonom)
Vorsicht ist geboten beim Austausch von Preisen, Rabatten, Kosten oder Marktanteilen. Eine Aufbereitung und anschließend ausreichende Anonymisierung der sensiblen Daten durch eine unabhängige Stelle können eventuell die kartellrechtlichen Bedenken ausräumen.
Unerheblich ist, auf welche Art und Weise eine unzulässige Information ausgetauscht wird. Ein informeller Austausch (z. B. beim Geschäftsessen oder auf dem Golfplatz) oder ein Austausch über einen Verband genügt. Wird unter Mitwirkung von Verbänden ein Verstoß gegen das Kartellverbot verwirklicht, so können sowohl der Verband als auch die an dem Vorgang beteiligten Unternehmen sowie die Unternehmensvertreter (und ggf. auch die Verbandsvertreter) gemeinsam oder einzeln mit Bußgeldern belegt werden.
Was ist zu tun, wenn Teilnehmer eines Verbandstreffens sich kartellrechtswidrig verhalten? Für den Fall, dass bei einem Verbandstreffen wettbewerbsrelevante Informationen besprochen oder unzulässige Absprachen getroffen werden, besteht für jeden Anwesenden die Gefahr der Beteiligung an einem Verstoß gegen das Kartellverbot. Um hiervon nicht betroffen zu sein, muss ein Teilnehmer sofort protestieren und seinen Protest zu Protokoll geben. Nicht ausreichend ist, dass er nur schweigt und dem Gespräch ohne aktive Teilnahme zuhört.
Informationsaustausch im Kartellrecht
1. Einführung: Was ist wettbewerbsrechtlich relevanter Informationsaustausch?
Informationsaustausch bezeichnet die Weitergabe von wettbewerblich sensiblen Daten zwischen Unternehmen, insbesondere zwischen Wettbewerbern. Solche Informationen können Preise, Produktionsmengen, Marktstrategien oder Kundendaten betreffen.
Während der Austausch öffentlicher und allgemein zugänglicher Informationen grundsätzlich unproblematisch ist, sind gezielte Absprachen über wettbewerbsrelevante Daten kartellrechtswidrig. Sie können den Wettbewerb verfälschen, da Unternehmen dadurch ihre Entscheidungen auf koordinierte Marktinformationen anstatt auf freien Wettbewerb stützen.
Rechtlich unterliegt der Informationsaustausch dem Kartellverbot gemäß Artikel 101 Abs. 1 AEUV und § 1 GWB. Zulässige Ausnahmen können unter Artikel 101 Abs. 3 AEUV oder Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO) fallen.
2. Wann ist Informationsaustausch kartellrechtswidrig?
2.1. Wettbewerbswidrige Formen des Informationsaustauschs
Preisbezogener Austausch
- Unternehmen informieren sich gegenseitig über aktuelle oder zukünftige Preisstrategien.
- Beispiel: Supermarktketten tauschen geplante Preisänderungen für bestimmte Warengruppen aus, um Preiskämpfe zu vermeiden.
Austausch über Produktionsmengen oder Kapazitäten
- Wettbewerber informieren sich über geplante Produktionsanpassungen, um eine künstliche Angebotsverknappung zu erzeugen.
- Beispiel: Zwei Stahlhersteller kommunizieren ihre geplanten Produktionskürzungen, um Marktpreise hochzuhalten.
Abstimmung über Marktstrategien oder Angebotsverhalten
- Unternehmen teilen sich gegenseitig mit, wie sie sich gegenüber Kunden oder Markttrends verhalten werden.
- Beispiel: Automobilhersteller informieren sich gegenseitig über geplante Rabatte für bestimmte Modelle.
Austausch über sensible Kundendaten oder Ausschreibungsverhalten
- Unternehmen stimmen sich über geplante Kundenakquisitionen oder Ausschreibungen ab.
- Beispiel: Bauunternehmen tauschen Informationen über geplante Gebote bei öffentlichen Ausschreibungen aus.
2.2. Hardcore-Beschränkungen: Immer verboten
Der Austausch strategischer Daten wird von Kartellbehörden als besonders kritisch angesehen, insbesondere wenn er:
- künftige Preise oder Produktionsmengen betrifft,
- die Marktstrategie beeinflusst,
- den Wettbewerb künstlich stabilisiert oder lenkt.
Diese Praktiken werden oft als implizite Kartelle eingestuft und unterliegen hohen Strafen.
2.3. Zulässige Informationsaustausch-Praktiken
Ein Informationsaustausch kann erlaubt sein, wenn er keine wettbewerbseinschränkende Wirkung hat. Dazu gehören:
Öffentliche Marktdaten und Branchenberichte
- Informationen, die öffentlich zugänglich sind, dürfen ausgetauscht werden.
- Beispiel: Unternehmen nutzen öffentlich zugängliche Preisindizes oder Branchenanalysen.
Austausch innerhalb von Unternehmensverbänden unter strengen Regeln
- Daten dürfen nur in anonymisierter und aggregierter Form weitergegeben werden.
- Beispiel: Ein Branchenverband veröffentlicht monatliche Durchschnittspreise ohne individuelle Unternehmensdaten.
Gemeinsame Forschungs- und Entwicklungskooperationen
- Unternehmen dürfen Informationen austauschen, wenn dies zur Innovation oder Produktentwicklung dient.
- Beispiel: Pharmaunternehmen tauschen nicht-kommerzielle Informationen über neue Impfstofftechnologien aus.
Pooling von anonymisierten Daten
- Aggregierte und nicht rückverfolgbare Marktdaten sind unproblematisch.
- Beispiel: Fluggesellschaften teilen anonymisierte Passagierströme, um Flughafenkapazitäten besser zu planen.
3. Wichtige Urteile zum Informationsaustausch
3.1. Kartellrechtswidrige Fälle
EuG, Rs. T-25/95 – "Airfreight-Kartell" (Luftfracht-Koordinierung)
- Sachverhalt: Mehrere Fluggesellschaften tauschten regelmäßig Informationen über Treibstoffzuschläge und Frachtraten aus.
- Ergebnis: EU-Kommission verhängte Strafen in Milliardenhöhe wegen marktverzerrender Preiskoordination.
EuGH, Rs. C-238/05 – "Banankartell"
- Sachverhalt: Bananenimporteure tauschten wöchentlich Preisinformationen aus, bevor sie ihre Preise festlegten.
- Ergebnis: Gericht entschied, dass auch ein scheinbar "indirekter" Informationsaustausch wettbewerbswidrig sein kann.
BKartA, B5-100/13 – "Zementkartell"
- Sachverhalt: Zementhersteller tauschten detaillierte Daten zu Produktionsmengen und Preisen aus.
- Ergebnis: Millionenstrafen für die Beteiligten wegen Marktstabilisierung durch strategischen Informationsaustausch.
3.2. Zulässige Informationsaustausch-Praktiken
EuGH, Rs. C-67/13 P – "Siemens/Areva" (Kooperation in der Nuklearbranche)
- Sachverhalt: Siemens und Areva tauschten Informationen über nukleare Reaktorsysteme aus, um technische Standards zu verbessern.
- Ergebnis: Keine Kartellrechtsverletzung, da es sich um technische Kooperation ohne Marktverdrängung handelte.
BKartA – Banken-Kooperationsfall
- Sachverhalt: Banken tauschten anonymisierte Kreditrisikodaten aus, um Bonitätseinschätzungen zu verbessern.
- Ergebnis: Zulässig, da der Informationsaustausch nicht zur Marktabschottung diente.
4. Was können Kartellrechtler tun?
4.1. Compliance-Beratung und Risikoprüfung
- Analyse, ob ein geplanter Informationsaustausch kartellrechtlich zulässig ist.
- Entwicklung von internen Richtlinien für den sicheren Austausch von Daten.
- Schulungen für Mitarbeiter, um Risiken durch unbedachte Äußerungen in Meetings oder Verbandsarbeit zu vermeiden.
4.2. Prüfung von Branchenkooperationen und Verbandsaktivitäten
- Überprüfung, ob ein Branchenverband wettbewerbsrechtlich unbedenkliche Daten veröffentlicht.
- Beratung bei der Erstellung zulässiger Marktstudien und Benchmark-Analysen.
4.3. Vertretung in Kartellverfahren
- Verteidigung bei Untersuchungen durch die EU-Kommission oder das Bundeskartellamt.
- Verhandlung von Kronzeugenregelungen, um Bußgelder zu reduzieren.
- Unterstützung bei internen kartellrechtlichen Untersuchungen.
4.4. Durchsetzung oder Abwehr von Schadensersatzklagen
- Unterstützung geschädigter Unternehmen bei Follow-on-Klagen gegen Kartellbeteiligte.
- Abwehr von überhöhten Schadensersatzforderungen.
5. Informationsaustausch
Der Informationsaustausch kann für Unternehmen wertvolle Markttransparenz schaffen, birgt jedoch erhebliche kartellrechtliche Risiken. Insbesondere der Austausch über Preise, Mengen oder Marktstrategien ist verboten und kann hohe Bußgelder nach sich ziehen.
Kartellrechtler spielen eine zentrale Rolle bei der rechtlichen Prüfung, der Compliance-Beratung und der Verteidigung in Kartellverfahren. Unternehmen sollten frühzeitig juristischen Rat einholen, um sicherzustellen, dass ihr Informationsaustausch den kartellrechtlichen Vorschriften entspricht.
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