Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Wettbewerbern
Das Kartellrecht setzt Absprachen zwischen Wettbewerbern enge Grenzen. Kern des heutigen Kartellrecht ist das zugehörige Kartellverbot:
Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten (Zentralklausel des § 1 GWB).
Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen betreffen Vereinbarungen, Beschlüsse oder abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Unternehmen, die auf derselben Marktstufe tätig sind, also direkte Wettbewerber. Diese Beschränkungen gelten als besonders schwerwiegend, da sie den Wettbewerb unmittelbar beeinträchtigen und zu höheren Preisen, geringerer Qualität oder weniger Innovation führen können. Sie sind im deutschen Kartellrecht im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und im europäischen Kartellrecht in Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) geregelt.
Im Folgenden werden die wichtigsten Fallgruppen horizontaler Wettbewerbsbeschränkungen erläutert, Beispiele aus der Praxis genannt und die Rolle von Kartellrechtlern bei der Bewältigung dieser Fälle dargestellt.
1. Preisabsprachen
1.1 Definition
Preisabsprachen sind Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, die Preise für bestimmte Produkte oder Dienstleistungen festzulegen. Sie führen zu höheren Preisen für Verbraucher und schaden dem Wettbewerb.
1.2 Beispiele
Fall "Zementkartell" (BGH, Urteil vom 11.12.2013 – KRB 20/13): Mehrere Zementhersteller hatten Preise abgesprochen und sich Marktanteile aufgeteilt. Das Bundeskartellamt verhängte hohe Geldbußen gegen die beteiligten Unternehmen.
Fall "Vitaminkartell" (EuGH, Urteil vom 08.12.2011 – C-510/06 P): Mehrere Hersteller von Vitaminen hatten ihre Preise abgesprochen, um die Preise hochzuhalten. Die Europäische Kommission verhängte Geldbußen in Milliardenhöhe.
1.3 Rolle von Kartellrechtlern
Compliance-Beratung: Kartellrechtler beraten Unternehmen, wie sie Preisabsprachen vermeiden können, und entwickeln Compliance-Programme.
Verteidigung: Sie vertreten Unternehmen in Verfahren vor Kartellbehörden oder Gerichten, wenn Preisabsprachen angefochten werden.
Schulungen: Sie schulen Mitarbeiter von Unternehmen, um sie für die Risiken von Preisabsprachen zu sensibilisieren.
2. Gebiets- und Kundenaufteilungen
2.1 Definition
Unternehmen vereinbaren, bestimmte geografische Gebiete oder Kundengruppen untereinander aufzuteilen, um sich nicht gegenseitig zu konkurrieren. Dies schränkt die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher ein.
2.2 Beispiele
Fall "Bierkartell" (BGH, Urteil vom 24.01.2017 – KRB 61/15): Brauereien hatten vereinbart, sich nicht in den jeweiligen Vertriebsgebieten der Konkurrenten zu betätigen. Dies wurde als wettbewerbswidrig eingestuft.
Fall "Marine Hoses" (EuGH, Urteil vom 28.06.2012 – C-289/11 P): Unternehmen hatten den Markt für Schlauchsysteme in der Öl- und Gasindustrie geografisch aufgeteilt. Die Europäische Kommission verhängte hohe Geldbußen.
2.3 Rolle von Kartellrechtlern
Vertragsprüfung: Kartellrechtler prüfen Verträge und Vereinbarungen auf mögliche Gebiets- oder Kundenaufteilungen.
Verteidigung: Sie vertreten Unternehmen in Verfahren vor Kartellbehörden oder Gerichten, wenn solche Aufteilungen angefochten werden.
Alternativen: Sie entwickeln alternative Vertriebsstrategien, die den Wettbewerb weniger beeinträchtigen.
3. Quoten- und Mengenabsprachen
3.1 Definition
Unternehmen legen fest, wie viel von einem Produkt produziert oder verkauft werden darf, um künstliche Knappheit und höhere Preise zu erzielen.
3.2 Beispiele
Fall "Vitaminkartell" (EuGH, Urteil vom 08.12.2011 – C-510/06 P): Mehrere Hersteller von Vitaminen hatten ihre Produktionsmengen abgesprochen, um die Preise hochzuhalten. Die Europäische Kommission verhängte Geldbußen in Milliardenhöhe.
Fall "Lysine-Kartell" (EuGH, Urteil vom 20.01.2005 – C-199/11 P): Unternehmen hatten die Produktionsmengen von Lysin, einem Futtermittelzusatz, abgesprochen. Die Europäische Kommission verhängte hohe Geldbußen.
3.3 Rolle von Kartellrechtlern
Risikobewertung: Kartellrechtler bewerten das Risiko von Quoten- und Mengenabsprachen und beraten Unternehmen, wie sie solche Absprachen vermeiden können.
Verteidigung: Sie vertreten Unternehmen in Verfahren vor Kartellbehörden oder Gerichten, wenn Quoten- oder Mengenabsprachen angefochten werden.
Schulungen: Sie schulen Mitarbeiter von Unternehmen, um sie für die Risiken von Mengenabsprachen zu sensibilisieren.
4. Boykottabsprachen
4.1 Definition
Unternehmen vereinbaren, bestimmte Wettbewerber, Lieferanten oder Kunden vom Markt auszuschließen, um den Wettbewerb zu beschränken.
4.2 Beispiele
Fall "Cementbouw" (EuGH, Urteil vom 23.02.2006 – C-202/06 P): Unternehmen hatten vereinbart, einen Konkurrenten vom Markt auszuschließen. Dies wurde als wettbewerbswidrig eingestuft.
Fall "T-Mobile" (EuGH, Urteil vom 04.06.2009 – C-8/08): Ein Telekommunikationsunternehmen hatte Preiserhöhungen mit Wettbewerbern abgestimmt, um einen Konkurrenten auszuschließen.
4.3 Rolle von Kartellrechtlern
Prüfung von Geschäftspraktiken: Kartellrechtler prüfen Geschäftspraktiken auf mögliche Boykottabsprachen und beraten Unternehmen, wie sie diese vermeiden können.
Verteidigung: Sie vertreten Unternehmen in Verfahren vor Kartellbehörden oder Gerichten, wenn Boykottabsprachen angefochten werden.
Compliance: Sie entwickeln Compliance-Programme, um sicherzustellen, dass Unternehmen keine Boykottabsprachen treffen.
5. Abgestimmte Verhaltensweisen
5.1 Definition
Abgestimmte Verhaltensweisen liegen vor, wenn Unternehmen ohne ausdrückliche Vereinbarung ihr Verhalten auf dem Markt koordinieren, um den Wettbewerb zu beschränken. Dies kann z.B. durch Signale oder stillschweigende Absprachen geschehen.
5.2 Beispiele
Fall "T-Mobile" (EuGH, Urteil vom 04.06.2009 – C-8/08): Ein Telekommunikationsunternehmen hatte Preiserhöhungen mit Wettbewerbern abgestimmt. Dies wurde als wettbewerbswidrig eingestuft.
Fall "Bananas" (EuGH, Urteil vom 16.11.2000 – C-238/99 P): Unternehmen hatten ihre Preise für Bananen abgestimmt, ohne eine ausdrückliche Vereinbarung zu treffen.
5.3 Rolle von Kartellrechtlern
Risikobewertung: Kartellrechtler bewerten das Risiko von abgestimmten Verhaltensweisen und beraten Unternehmen, wie sie solche Verhaltensweisen vermeiden können.
Verteidigung: Sie vertreten Unternehmen in Verfahren vor Kartellbehörden oder Gerichten, wenn abgestimmte Verhaltensweisen angefochten werden.
Schulungen: Sie schulen Mitarbeiter von Unternehmen, um sie für die Risiken von abgestimmten Verhaltensweisen zu sensibilisieren.
6. Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen
Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen sind besonders schwerwiegend, da sie den Wettbewerb unmittelbar beeinträchtigen und zu höheren Preisen, geringerer Qualität oder weniger Innovation führen können. Kartellrechtler spielen eine zentrale Rolle bei der Bewältigung solcher Fälle. Sie beraten Unternehmen, prüfen Verträge und Geschäftspraktiken, vertreten Unternehmen in Verfahren vor Behörden und Gerichten und entwickeln Compliance-Programme, um kartellrechtliche Risiken zu minimieren. Die genannten Beispiele und Urteile verdeutlichen die praktische Relevanz und die rechtlichen Konsequenzen horizontaler Wettbewerbsbeschränkungen.
|