Sanktionen bei Kartellverstößen
Wettbewerbsverstöße können erhebliche Risiken nach sich ziehen. Hierzu zählen vor allem die nachfolgenden:
Daneben können auch private Schadensersatzforderungen und der Imageschaden für das kartellrechtswidrig handelnde Unternehmen immer weiter in den Fokus rücken.
Kartellverstöße, wie Preisabsprachen, Marktaufteilungen oder der Missbrauch marktbeherrschender Stellungen, werden sowohl im deutschen als auch im europäischen Kartellrecht streng geahndet. Die Sanktionen reichen von hohen Geldbußen über Schadensersatzansprüche bis hin zu persönlichen Konsequenzen für verantwortliche Personen. Im Folgenden werden die Sanktionen bei Kartellverstößen umfassend erläutert, Beispiele aus der Praxis genannt, relevante Urteile angeführt und die Rolle von Kartellrechtlern bei der Bewältigung solcher Fälle dargestellt.
1. Arten von Sanktionen bei Kartellverstößen
1.1 Geldbußen
Geldbußen sind die häufigste und bekannteste Sanktion bei Kartellverstößen. Sie werden von den Kartellbehörden (z.B. dem Bundeskartellamt oder der Europäischen Kommission) verhängt und können erhebliche Höhen erreichen.
1.1.1 Berechnung der Geldbußen
Deutsches Recht (§ 81 GWB): Die Geldbuße kann bis zu 10 % des weltweiten Gesamtumsatzes des beteiligten Unternehmens im vorangegangenen Geschäftsjahr betragen.
Europäisches Recht (Art. 23 VO (EG) Nr. 1/2003): Die Geldbuße kann ebenfalls bis zu 10 % des weltweiten Gesamtumsatzes betragen.
Die Höhe der Geldbuße hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Schwere des Verstoßes, der Dauer der Zuwiderhandlung und der Marktmacht des beteiligten Unternehmens.
1.1.2 Beispiele für Geldbußen
Fall "Truck-Kartell" (2016): Die Europäische Kommission verhängte Geldbußen in Höhe von insgesamt 2,93 Mrd. Euro gegen mehrere Lkw-Hersteller, darunter DAF, Daimler, Iveco und Volvo/Renault, wegen Preisabsprachen und der Verzögerung der Einführung umweltfreundlicher Technologien.
Fall "Zementkartell" (2003): Das Bundeskartellamt verhängte Geldbußen in Höhe von insgesamt 660 Mio. Euro gegen mehrere Zementhersteller wegen Preisabsprachen und Marktaufteilungen.
1.2 Schadensersatzansprüche
Geschädigte Unternehmen oder Verbraucher können Schadensersatzansprüche gegen Unternehmen geltend machen, die an Kartellverstößen beteiligt waren. Diese Ansprüche können sich auf überhöhte Preise, entgangene Gewinne oder andere wirtschaftliche Nachteile beziehen.
1.2.1 Beispiele für Schadensersatzansprüche
Fall "Lift-Kartell" (2007): Nachdem die Europäische Kommission Geldbußen gegen mehrere Aufzugshersteller verhängt hatte, reichten Gebäudeeigentümer und -verwalter Schadensersatzklagen ein, um die überhöhten Preise für Aufzugsinstallationen und -wartungen zurückzufordern.
Fall "Rail Freight" (2015): Nach einem Kartellverfahren gegen die Deutsche Bahn reichten mehrere Wettbewerber Schadensersatzklagen ein, weil sie durch diskriminierende Preise und Bedingungen benachteiligt worden waren.
1.3 Persönliche Sanktionen
In einigen Ländern (z.B. den USA) können verantwortliche Personen persönlich haftbar gemacht werden, z.B. durch Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen. In Deutschland und der EU sind persönliche Sanktionen seltener, aber nicht ausgeschlossen.
1.3.1 Beispiele für persönliche Sanktionen
Fall "Süßwarenkartell" (2013): In einem Kartellverfahren gegen mehrere Süßwarenhersteller wurden auch verantwortliche Manager mit Geldbußen belegt.
Fall "Marine Hoses" (2008): In einem internationalen Kartellverfahren wurden mehrere Manager zu Freiheitsstrafen verurteilt, darunter auch ein deutscher Manager, der in den USA verurteilt wurde.
1.4 Verhaltens- und Strukturauflagen
Kartellbehörden können Unternehmen verpflichten, bestimmte Verhaltensweisen zu ändern oder strukturelle Maßnahmen zu ergreifen, um den Wettbewerb wiederherzustellen.
1.4.1 Beispiele für Verhaltens- und Strukturauflagen
Fall "Microsoft" (2004): Die Europäische Kommission verpflichtete Microsoft, bestimmte Schnittstelleninformationen an Wettbewerber weiterzugeben, um den Wettbewerb auf dem Markt für Server-Software zu fördern.
Fall "Google Shopping" (2017): Die Europäische Kommission verpflichtete Google, seine Suchmaschine so zu ändern, dass Wettbewerber im Bereich des Online-Shoppings fair behandelt werden.
2. Beispiele aus der Praxis und Urteile
2.1 Fall "Truck-Kartell" (EuGH, Urteil vom 20.09.2018 – C-724/17)
Die Europäische Kommission verhängte Geldbußen in Höhe von insgesamt 2,93 Mrd. Euro gegen mehrere Lkw-Hersteller wegen Preisabsprachen und der Verzögerung der Einführung umweltfreundlicher Technologien. Der EuGH bestätigte die Geldbußen und wies die Klagen der Unternehmen ab.
2.2 Fall "Zementkartell" (BGH, Urteil vom 11.12.2013 – KRB 20/13)
Das Bundeskartellamt verhängte Geldbußen in Höhe von insgesamt 660 Mio. Euro gegen mehrere Zementhersteller wegen Preisabsprachen und Marktaufteilungen. Der BGH bestätigte die Geldbußen und wies die Klagen der Unternehmen ab.
2.3 Fall "Lift-Kartell" (EuGH, Urteil vom 06.11.2012 – C-199/11)
Die Europäische Kommission verhängte Geldbußen gegen mehrere Aufzugshersteller wegen Preisabsprachen und Marktaufteilungen. Der EuGH bestätigte die Geldbußen und wies die Klagen der Unternehmen ab.
3. Rolle von Kartellrechtlern
Kartellrechtler spielen eine zentrale Rolle bei der Bewältigung von Kartellverstößen und den daraus resultierenden Sanktionen. Ihre Tätigkeiten umfassen:
3.1 Beratung und Prävention
Compliance-Programme: Kartellrechtler entwickeln Compliance-Programme, um Unternehmen dabei zu helfen, Kartellverstöße zu vermeiden. Dazu gehören Schulungen, Richtlinien und interne Kontrollmechanismen.
Risikobewertung: Sie bewerten das kartellrechtliche Risiko von Geschäftspraktiken und Vereinbarungen und beraten Unternehmen, wie sie diese gestalten können, ohne gegen das Kartellrecht zu verstoßen.
3.2 Verteidigung in Kartellverfahren
Verfahren vor Kartellbehörden: Kartellrechtler vertreten Unternehmen in Verfahren vor dem Bundeskartellamt oder der Europäischen Kommission, wenn Kartellverstöße angefochten werden. Dazu gehören die Vorbereitung von Stellungnahmen, die Teilnahme an Anhörungen und die Verhandlung von Vergleichsvereinbarungen.
Gerichtsverfahren: Sie vertreten Unternehmen in Gerichtsverfahren, wenn Kartellverstöße angefochten werden oder Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden.
3.3 Schadensersatzverteidigung
Abwehr von Schadensersatzansprüchen: Kartellrechtler verteidigen Unternehmen gegen Schadensersatzansprüche, die von Geschädigten geltend gemacht werden. Dazu gehören die Prüfung der Ansprüche, die Vorbereitung von Verteidigungsstrategien und die Verhandlung von Vergleichsvereinbarungen.
Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen: Sie vertreten geschädigte Unternehmen oder Verbraucher bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen Unternehmen, die an Kartellverstößen beteiligt waren.
3.4 Krisenmanagement
Interne Untersuchungen: Kartellrechtler führen interne Untersuchungen durch, um mögliche Kartellverstöße aufzudecken und zu bewerten. Dazu gehören die Befragung von Mitarbeitern, die Prüfung von Dokumenten und die Zusammenarbeit mit externen Gutachtern.
Krisenkommunikation: Sie unterstützen Unternehmen bei der Krisenkommunikation, z.B. durch die Vorbereitung von Pressemitteilungen und die Koordination mit den Medien.
4. Kartellverstöße
Kartellverstöße werden sowohl im deutschen als auch im europäischen Kartellrecht streng geahndet. Die Sanktionen reichen von hohen Geldbußen über Schadensersatzansprüche bis hin zu persönlichen Konsequenzen für verantwortliche Personen. Kartellrechtler spielen eine zentrale Rolle bei der Bewältigung von Kartellverstößen und den daraus resultierenden Sanktionen. Sie beraten Unternehmen, vertreten sie in Verfahren vor Behörden und Gerichten, entwickeln Compliance-Programme und unterstützen bei der Abwehr von Schadensersatzansprüchen. Die genannten Beispiele und Urteile verdeutlichen die praktische Anwendung und die rechtlichen Konsequenzen von Kartellverstößen.
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