Marktbeherrschende Stellung
Eine marktbeherrschende Stellung liegt nach § 18 GWB vor, wenn das jeweilige Unternehmen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne Wettbewerber ist (Nummer 1), keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist (Nummer 2) oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat (Nummer 3).
Das Unternehmen verfügt dann über eine wirtschaftliche Machtstellung, die es auf dem relevanten Markt in die Lage versetzt, sich in nennenswertem Umfang unabhängig von seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und/oder letztlich von den Verbrauchern zu verhalten.
Zur Beurteilung einer marktbeherrschenden Stellung wird in der Praxis auf die Markt- und Unternehmensstruktur sowie auf das Marktverhalten des Unternehmens abgestellt.
Wichtige Kriterien sind nach § 18 Absatz 3 GWB insbesondere der Marktanteil des Unternehmens; seine Finanzkraft; sein Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten; Verflechtungen mit anderen Unternehmen; rechtliche und tatsächliche Schranken für den Marktzutritt durch andere Unternehmen; der tatsächliche und potenzielle Wettbewerb durch Unternehmen, die innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ansässig sind; die Fähigkeit, sein Angebot oder seine Nachfrage auf andere Waren oder gewerbliche Leistungen umzustellen sowie die Möglichkeit der Marktgegenseite, auf andere Unternehmen auszuweichen. Im deutschen Kartellrecht wird bei einem Marktanteil von 40 Prozent (zuvor 30 Prozent) die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens vermutet (§ 18 Absatz 4 GWB).
Zwei oder mehrere Unternehmen sind nach § 18 Absatz 4 GWB kollektiv marktbeherrschend, wenn zwischen ihnen für eine bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen ein wesentlicher Wettbewerb nicht besteht und sie in ihrer Gesamtheit die Voraussetzungen einer Einzelmarktbeherrschung erfüllen. Auch hier wird der Nachweis durch die Vermutungsregelung des § 18 Absatz 6 GWB erleichtert.
Marktbeherrschend ist ein Unternehmen also, das auf seinem Markt keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder das eine überragende Marktstellung hat. Marktbeherrschung liegt also nur vor, wenn der Verhaltensspielraum des Unternehmens durch den von seinen Wettbewerbern ausgehenden Wettbewerbsdruck nicht ausreichend kontrolliert werden kann.
Anbietermarkt und Nachfragermarkt
Auf Anbietermärkten entscheidet die Sicht der Abnehmer, auf Nachfragemärkten die Sicht der Anbieter. Marktbeherrschung richtet sich unter anderem nach dem Marktanteil des Unternehmens, nach seiner Finanzkraft oder nach seinem Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten.
Anders als das europäische Recht vermutet der deutsche Gesetzgeber, dass ein Unternehmen den Markt beherrscht, wenn es einen Marktanteil von mindestens einem Drittel hat. Bei Anwendung des europäischen Kartellrechts wird eine marktbeherrschende Stellung regelmäßig erst bei höheren Marktanteilen angenommen.
Der deutsche Gesetzgeber bezieht darüber hinaus auch marktstarke Unternehmen in die Regeln des Missbrauchsverbots mit ein. Marktstark sind Unternehmen, die zwar den Markt nicht beherrschen, von denen aber andere Unternehmen abhängig sind. Abhängig sind Unternehmen nicht, wenn sie eine ausreichende oder zumutbare Ausweichmöglichkeit auf andere als das marktstarke Unternehmen haben.
Es kann vorkommen, dass ein Unternehmen zwar für sich genommen den Markt nicht beherrscht, dass aber mehrere Unternehmen zusammen marktbeherrschend sind, also keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt sind. Nach deutschem Recht wird eine gemeinsame marktbeherrschende Stellung vermutet, wenn eine Gruppe von drei oder weniger Unternehmen gemeinsam einen Marktanteil von 50 % innehat und wenn eine Gruppe von fünf oder weniger Unternehmen einen Marktanteil von zwei Dritteln erreicht („Oligopolvermutung”).
Nach europäischem Recht ist eine Gruppe von Unternehmen gemeinsam marktbeherrschend, wenn sie dauerhaft eine gemeinsame Preispolitik verfolgen kann und für den Fall, dass Mitglieder der Gruppe von dem vereinbarten Verhalten abweichen, über Abschreckungsmechanismen verfügt.
Außerdem dürfen Wettbewerber und Abnehmer nicht in der Lage sein, auf die Ergebnisse der Verhaltenskoordinierung zwischen den Gruppenmitgliedern wirksam zu reagieren. Bei einer gemeinsamen Marktbeherrschung muss jedes einzelne Unternehmen prüfen, ob in seinem Verhalten ein Missbrauch der (gesamt-)marktbeherrschenden Stellung der Gruppe liegen könnte.
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